Strategie
Von Morten Friis.1989
Strategie. Colonels explosive Arbeit mit Ausstellungsstrategien hat einen
militanten Charakter: Es ist ein Angriff mit einer präzisen und gut
formulierten Strategie auf alle einzelnen Individuen der Gesellschaft. Der
Künstler ist hier als Heerführer zu sehen, dessen Ziel es ist,
die Oberfläche zu erweitern, auf der der künstlerische Ausdruck
agiert. Von Museen, Galerien, dem klaustrophobischen, prohibitiven Raum der
etablierten Kunstwelt spritzt das Werk hinaus in den umgebenden Raum. Einen
Raum, in dem Kunstformeln, denen die geregelte Kunst ursprünglich sklavisch
folgt, nicht existiert. Ein Raum, in dem der Empfänger nicht mit dem
Code der Kunstinstitutionen durchdrungen ist und in dem die Kunst somit vorurteilsfrei
aufgenommen wird.
Moving. Colonel formuliert diese Befreiung der Ausstellung in seinem Manifest
– les different types de moving exhibition. In diesem Manifest wird die bewegliche
Ausstellung in eine Reihe von Typen eingeteilt. Gemeinsam für diese
Typen ist, daß sie sich auf revolutionäre und grenzüberschreitende
Weise gegenüber den Arbeitsbedingungen verhalten, die den Künstlern
unserer Zeit gegeben sind. Und zusammen mit der militärischen Strategie
beinhaltet Moving Exhibition eine Huldigung an die Sensitivität des
Künstlers. Moving Exhibition, der bürgerliche Typ, ist somit eine
Huldigung für den privaten, introvertierten Raum. Der Künstler
beschützt gegen die Blicke des Publikums oder in Gesellschaft mit den
Verstehenden. Der semi-bürgerliche Typ findet in einem Milieu statt,
in dem der Künstler bereits akzeptiert ist. Bei diesem Typ ist die Einbeziehung
des Publikums ein Leitgedanke. Colonel besteht darauf, daß im Publikum
latent ein kreatives Potential existiert. Die Provokation dieses Potentials
ist ein zentrales Element in Colonels extrovertiertem Universum. Der offensive
Typ unterstreicht den Durchbruch. Penetrationen. Hier manifestiert sich der
Künstler aggressiv in der Kunstwelt. Die Dynamik des Künstlers
reißt die Aufmerksamkeit an sich. Die Kunstwelt raubt hiermit dieses
Monopol. Die undurchdringlichen Innenseiten, l’impermeables, Koffer
oder andere intime Ausstellungen erfordern ein gültiges Visum, das vom
Künstler ausgestellt wird. Als Ausstellungsstrategie unterstreicht dies
die Forderung des Künstlers nach ungeteilter Aufmerksamkeit und Passion.
Mit Hilfe von Visa wird die traditionelle künstlerische Präsentation
umgedreht. Der Künstler wird der Gejagte, Objekt der Begierde.
Transport. Die undurchdringliche Oberfläche der Medien steht wie eine
Mauer zwischen dem Künstler und seinem Publikum. Colonel hat diese Mauer
durchbohrt und eine Reihe überraschender Gucklöcher geschaffen.
Eingänge, durch die Manifeste, Werke oder Statements treten können.
Colonels Medienstrategie ist einzigartig. Geburtstagsbereiche, für persönliche
Grüße reserviert, braucht der Colonel, um neue Kunstrichtungen
bekannt zu geben, wie z.B. den Konklusionismus. Zeitungsannoncen werden auf
die gleiche Weise dazu verwendet, um Kunstwerke auszustellen. Wie ein Guerillakämpfer
der Medien plaziert der Colonel seine Botschaften und Werke undercover. Medienbilder
werden demnach zu Kunstwerken erhoben. Als solche präsentiert, gehen
sie auch als solche in die Gespräche über den Künstler ein.
Sie werden in Anfragen reproduziert und gehen in die Gespräche ein und
werden somit von Medium zu Medium transportiert. Unterwegs werden sie Opfer
von Beschädigungen und Änderungen. Sie leben ein eigenes autonomes
Leben in den Medien. Dieser Übergang und die Verwandlung tragen
zu einem Teil des Werkes bei und fungieren gleichzeitig als eine Analyse
der Verwendung des Kunstwerks durch die Medien.
Strategie. Im allgemeinen ist das Durchdringende bei Colonels Ausstellungsstrategien
zu finden. Äußerst banal ist die Forderung des Künstlers
nach Aufmerksamkeit. Aber dahinter steht ein Aufräumen mit der Auffassung
des Künstlers als Hofnarr. Und der Verwendung der Kunst als Legitimation
für das gesamte Wesen und Struktur der Gesellschaft. Die Kunst erlebt
derzeit eine extreme Institutionalisierung. Museen sind Tempel und Vergnügungsparks
geworden. Der Künstler ist zu einem Bilderproduzent geworden. Eine Ausstellung,
eine Vernissage, eine Konferenz verliert ihre Substanz, wenn das offensive
Moving einrückt. Flying Exhibition ist gleichermaßen offensiv.
Die Kunstwerke werden wie Flieger herausgeworfen. Dies ist die eklatanteste
Verbildlichung von Strategie, Taktik und Wirkmittel in Colonels Ausstellungstechnik
Moving Exhibition. Der vagabundierende Typ greift den gesamten öffentlichen
Raum an. Er ist demokratisch. Demütig. Mobil. Der exhibitionistische
Typ basiert auf der zuvor genannten Faszination des Potentials des Einzelnen.
Gleichzeitig repräsentiert diese Bewegung innen und außen. Die
Darstellung des Privaten im Öffentlichen. L’ìmpermeable ist eine
sublime Konstruktion. Hiermit wird eine thematisierte Ausstellung gedruckt.
Der innere Teil von l’impermeable kann vor Allem beschützt werden. Der
innere Teil ist versteckt. Zusammen führt l’impermeable eine Sammlung
von Werken durch. L’impermeable durchdringt alle Grenzen, überwindet
alle Hindernisse und erreicht Ziele. Gleichzeitig mit deren Träger:
Künstler.
Sport Art bedeutet eine Ausweitung und eine Beschleunigung der Moving exhibition.
Sport Art hebt die Konkurrenz bis zum Ideal auf, mit dem Motto Sport Art
ist Wettkampf. Die direkte, physische, soziale Kommunikation wird betont.
Das Kunstwerk befindet sich hier mitten in einer direkten Konfrontation.
Moving zeichnet sich durch seine Dynamik dadurch aus, der Beschleunigung
Sport Arts folgen zu können.
La valise, der Koffer, ist eine Ausstellungsform mit einer eingebauten, automatischen
Mobilität. Colonel weitet hier den Ausstellungsbegriff aus, indem er
den Koffer mit Werken füllt. Somit wird der Koffer als Kunstgegenstand
ausgestellt, während das Innere verborgen bleibt. Colonel läßt
jedoch eine Möglichkeit, das Verbot zu brechen und in das Universum
des Künstlers einzudringen, die private Sphäre steht offen....
Visa. In der modernen Mythologie und Wirklichkeit steht das Visum als der
Schlüssel, der Türen zu neuen Welten öffnen kann. Und gleichzeitig
ist dies ein Machtmittel, das ein unerwünschtes Eindringen verhindern
kann. Das Recht auf Zugang zu Colonel verlangt einen frontalen Angriff auf
die Welt, in dem der Künstler und die Ausstellung zu einer veritablen
Kriegsmaschine verschmelzen. Und in dem alle Oberflächen angegriffen
werden. Colonel fordert ein Verschmelzen von Künstler und Publikum.
In einer gemeinsamen Bewegung führt dies zur Aufdeckung der Mechanismen,
die das Kreative fest in einer versteiften Position fixieren. Gleichzeitig
entdeckt man ständig einen äußerst persönlichen, gefühlsmäßigen
Gedankengang in der strategischen Arbeit. Eine Arbeit, basierend auf existentialistischen
Erwägungen. Es ist dieser Berührungspunkt zwischen dem Inneren
und dem Äußeren, an dem wir Colonels Werk finden.
Morten Friis